Danke an Michael Wüst für diesen Text über unsere Performance im Kunstraum whiteBox im Rahmen der Ausstellung „Alles ist ein Remix„, kuratiert von Benjamin Jantzen.
“Intruders” – eine Video-Heimsuchung des kollektiven Bewusstseins in der whitebox
Am 13. und 14. Juli zeigten A-li-ce & Swub im Rahmen der Ausstellung „Everything is Remix“ die 35-minütige Performance „Intruders“ […] die sich zusammensetzt aus mehr als 2000 Samples. Grundlage sind 4000 Filme, die vom französischen Nationalarchiv Centre CICLIC zur Verfügung gestellt wurden.
Die Filme sind vorwiegend aus kleineren Städten in ländlichen Gebieten während der 20er bis 50er Jahre in Frankreich, manche wohl auch später. Es beginnt in dem historischen Graben dieser Jahre zwischen den zwei Weltkriegen mit einer Tanztee-Szene. Ein geisterhafter Ballsaal, der erinnert an „Selected Memories From The Haunted Ballroom“ von James Leyland Kirby, der sich in seinen elektronischen Arbeiten „The Caretaker“ nannte. Wir empfinden die Bilder und Klänge dieser tanzenden Gesellschaft als so etwas wie die geisterhafte Dokumentation einer in diesem vergangenem Moment einsetzenden Verdrängung dessen, was damals Zukunft war.
Das Dokument ist aufgeladen mit der vorauseilenden Verdrängung der Zukunft. Das Video annonciert so ganz klar in dieser Exposition wo der Fluchtpunkt seiner Entwicklung liegen wird, den es allerdings nicht erreichen kann, weil er ja im dokumentarisch Unbewußten verborgen bleibt. Scheinbar freundlich detailverliebt streichen die privaten Kameras über Landschaft, Bäume, Schlick, Straße, versunkenen Alltag. Der Sound, ursprünglich orientiert am Knattern von Super 8-Projektoren, zieht Schlieren, verflüssigt sich, lässt sich hinunter gleiten. Geigenklänge werden zu ertrinkenden Sirenen. Der historische Graben füllt sich mit Wasser.
Menschen erledigen ihr Lebenszeug, Pfeife stopfen, rauchen, ein Pferd über die Straße führen, Obst essen, lachen. Ein alter Renault fährt durch eine Unterführung auf dem Weg zu Tarkowskis Solaris. Schneeballschlachten von Kindern führen zu Aufmärschen von Massen, erst Mädchen in roten Kostümen, dann Proteste, dann Militär.
Kinder, die Missbrauchten der Geschichte, kommen auf die Kamera zu, Intruders unseres kollektiven Gedächtnisses. Ein Mädchen in einem roten Dufflecoat auf einem Dreirad. In uns erklingt „Its All Forgotten Now“, die Ballroommelodie aus „Shining“ von Stanley Kubrick.
Der Text ist erschienen auf http://www.werksviertel-mitte.de